top of page
AutorenbildBeat Aellen

Zu Besuch in Bamberg und Franken

Aktualisiert: 27. Nov.



Träumen statt reisen

In diesen schwierigen Zeiten, wenn alle Bierfeste abgesagt und Reisen auch nicht wirklich angesagt sind, bleibt uns noch von Reisen zu träumen oder solche zu planen. Zum Beispiel nach Bamberg und Franken:

Die Mälzerei Weyermann

Wer in Bamberg aus dem Zug steigt, sieht gleich hinter dem Bahnhof die historischen Gemäuer der Mälzerei Weyermann. Und bei einem Bambergbesuch lohnt sich eine Führung durch diesen Betrieb - quasi an den Anfang des Bieres - auf jeden Fall.

In einem Ensemble von historischen Industriegebäuden aus rotem Backstein, ist eine der bedeutendsten Mälzereien zu Hause. Von hieraus werden Brauereien und Hobbybrauer in aller Welt mit Spezialmalzen für alle möglichen Bierstiele beliefert.


Im grossen Wannen wird das Braugetreide geweicht und gekeimt, später gedarrt, ein Teil davon karamellisiert oder geröstet. So umfasst die Palette von Weiermann über achtzig Malzsorten aus Gerste, Weizen, Roggen und Dinkel, vom extra hellen Pilsner Malz mit 2-3 EBC bis hin zum pechschwarzen Röstmalz mit einer Farbe von bis zu 1500 EBC. Neben Standardmalzen finden sich im Angebot Spezialmalze unterschiedlichster Art wie regionale Malze aus böhmischem, italienischem oder belgischem Getreide mit den typischen Eigenschaften, die es für die entsprechenden Biersorten braucht. Damit ist Weyermann Weltmarktführer bei den Spezialmalzen und verschickt die Produkte in die ganze Welt.


Ebenfalls nicht zu verachten ist der Tap-Room, in welchem die Betriebsführung endet. Aus der betriebseigenen Brauerei, in welcher die Spezialmalze testweise zu verschiedenen Bieren gebraut werden, sind hier acht Sorten am Zapfhahn. Es sind nicht, wie man vielleicht meinen könnte, allesamt besonders malzbetonte Biere. An einem Hahn fliesst ein IPA und wie sich später herausstellen wird, ist es das einzige in Bamberg und Umgebung gebraute IPA – und das ausgerechnet in einer Mälzerei.



Bierkultur in Franken

In Bamberg und Franken werden nur wenige Bierstile gebraut. Das Angebot beschränkt sich im Wesentlichen auf Helles, Zwickel, Dunkles, Weizenbier, saisonale Bockbiere sowie das Bamberger Rauchbier, das von der Brauerei Schlenkerla sowie der Brauerei Spezial gebraut wird. Selten gibt’s ein wirklich helles Pils. Alle die neu entdeckten und wiederbelebten Bierstile wie Pale Ales, IPA, Saison, Stout usw. haben nie nach Franken gehört und werden auch heute nicht gebraut. Die Craftbier-Welle hat diese Region noch kaum erreicht. So kommt es eben, dass das wohl einzige in Bamberg gebraute IPA aus der Brauerei der Mälzerei stammt und nur in deren Tap-Room ausgeschenkt wird. Das tut aber dem Ruf von Bamberg und Franken als einem Zentrum der Bierkultur keinen Abbruch. Nirgends gibt es eine so grosse Brauereidichte wie in dieser Region. In Bamberg haben viele Restaurants ihre eigene Brauerei. In der ländlichen Umgebung hat fast jedes Dorf mindestens eine.

Bierkultur in Franken bedeutet nicht in erster Linie Biervielfalt, sondern Geselligkeit. Neben den eigentlichen Brauereirestaurants gibt es Biergärten unter grossen Bäumen und alte Bierkeller, die in vielen Dörfern zur Einkehr einladen. Diese sind eher mit einem Wiener Heurigen zu vergleichen als mit einem hiesigen Craftbier-Lokal. Auf der Karte sind die hauseigenen zwei bis drei Biersorten und einfache Speisen. Da ist niemand, der das Bier bei Untapped eincheckt. Da muss auch nicht jedes weitere Glas Bier ein neues Geschmackserlebnis sein. Dafür haben die Franken den heute modernen Begriff der Drinkability perfekt verstanden und umgesetzt. Die Biere sind sehr süffig und verlangen nicht die volle Aufmerksamkeit, lassen dafür aber viel Raum für Musse und Gespräche.



Wo Bierwanderungen noch zu Brauereien führen

Die Brauerei-Dichte in Franken, vor allem in der Fränkischen Schweiz, ist so gross, dass Bierwanderungen hier noch echte Brauereiwanderungen sind. Sie führen von einer zur nächsten wirklichen Brauerei, während hierzulande für solche Anlässe meist Brauereien mit eigens aufgebauten Ständen in der Landschaft verteilt werden müssen. So führt zum Beispiel im Gebiet von Gräfenberg, zwischen Bamberg und Nürnberg, der «Fünf-Seidla-Steig» von Weissenohe nach Thuisbrunn auf knapp 10 km zu fünf verschiedenen Privatbrauereien mit Gasthöfen und Biergärten.



Bamberg – das tägliche Bierfest

Bamberg ist allein von der Stadt her schon eine Reise Wert. Die verwinkelte Altstadt mit den Fachwerkhäusern ist ein UNESCO-Weltkulturerbe. Wegen der verschiedenen Arme und Kanäle des Flusses Ragnitz und den vielen Brücken wird Bamberg gelegentlich auch «Venedig des Nordens» genannt.



Wer bei schönem Wetter in der Bamberger Altstadt ein Bier trinken geht, findet sich spätestens in der Dominikanerstrasse unvermittelt in einer riesigen Menschenmenge. Es fühlt sich an wie an einem Bierfest hierzulande. Die Menschen stehen dicht an dicht mit ihrem Bierglas vor den Brauereilokalen von Schlenkerla oder Ambräusianum. Ein konstanter Geräuschpegel von Reden und Lachen erfüllt die enge Gasse. Der Ausschank auf die Gasse hat hier Tradition. Während in unseren Breiten Bier im Restaurant in der Regel am Tisch oder an der Bar bestellt und getrunken wird und allenfalls die Raucher in längeren oder kürzeren Abständen das Lokal kurz verlassen, gibt es im Bamberg das Ausschankfenster: Im Eingangsbereich eines Lokals findet sich ein Fenster, durch welches Bier im Offenausschank auf die Gasse verkauft wird, welches dann draussen stehend und schwatzend getrunken wird.




Offenbar ist Bamberg als Bier-Mekka schon so beliebt, dass gewisse Reisegruppen zum Problem werden und nicht mehr erwünscht sind. So schreiben verschiedene Lokale an, Junggesellenabschiede nicht mehr zu bewirten.







125 Ansichten0 Kommentare

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen

Zu Besuch in Verona

Comments


bottom of page